Netzqualitäts-Messungen in allen Spannungsebenen bis 150 kHz – Ist das möglich?
- Gepostet von Neo Messtechnik
- Am 23. Juli 2021
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Eine verlässliche Energieversorgung ist für viele Unternehmen mittlerweile zu einem wichtigen Standortfaktor geworden. Während in der Vergangenheit Netzausfälle und Spannungsschwankungen zu den wichtigsten Parametern der Versorgungsqualität zählten, gewinnen Spannungstransienten oder Spannungsoberschwingungen immer mehr an Bedeutung.
Table of Contents
1 – Überblick
Willkommen zu einem neuen Kapitel von Power Quality Explained
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2 – Einleitung
Dies ist auf vor allem auf die immer größer werdende Anzahl an nicht-linearen Verbrauchern und vielen dezentral angebundenen regenerativen Energieträger zurückzuführen. Um in Europa einheitliche Standards für die Elektroenergieversorgung zu gewährleisten, werden die Mindestanforderungen an die Spannungsqualität in einer europäischen Norm definiert. Dies ist die EN 50160, welche die Überschrift „Merkmale der Spannung in öffentlichen Elektrizitätsversorgungsnetzen“ trägt. Diese Norm ist als Produktnorm für elektrische Energie zu verstehen und wird aus diesem Grund auch in Stromlieferverträgen als geltende Produktnorm herangezogen. Im Februar 2014 hat der Bundesgerichtshof unmissverständlich klargestellt, dass auch die Elektrizität dem Produkthaftungsgesetz unterworfen ist. Damit haftet der Verteilnetzbetreiber für Schäden an elektrischen Verbrauchern, die auf eine mangelhafte Spannungsqualität seitens des Verteilnetzbetreibers zurückzuführen sind. Viele Messgerätehersteller bieten mittlerweile aus diesem Grund Messgeräte, die automatisierte Qualitätsreports gemäß der EN 50160 aufbereiten. Auch digitale Zähler bieten immer öfter auch Power Quality Funktionen gem. der EN 50160. Während die Messgeräte in der Niederspannung die Spannung direkt verarbeiten können, sind wir in der Mittel- und Hochspannung auf Spannungswandler bzw. Spannungssensoren angewiesen. Meist wird an älteren Anlagen die Spannungsqualität gemessen. Die verbauten Spannungswandler geben auf dem Leistungsschild aber in der Regel keinen Hinweis auf das Übertragungsverhalten bei höheren Frequenzen. Die Geräte sind lediglich für die 50 Hz Grundschwingung der Netze spezifiziert. Messungen gemäß der EN 50160 erfordern aber einen Frequenzbereich bis 2 kHz. Wir wollen der Frage nachgehen, ob die vorhandenen Geräte für Messungen bis 2 kHz geeignet sind.
Induktive Spannungswandler
Bei den verbauten Spannungswandlern handelt es sich fast ausnahmslos um induktive Wandler, die nach dem transformatorischen Prinzip arbeiten.
Im Detail besteht die Primärspule nicht nur aus induktivwirkenden Kupferwindungen, sondern es ergeben sich auch Kapazitäten durch die einzelnen voneinander isolierten Lagen. Auch die Kapazitäten zwischen den einzelnen Windungen tragen zu der Gesamtkapazität der Primärspule bei. Somit ergibt sich ein Schwingkreis aus Induktivität, Kapazität und ohmscher Widerstand, der auch eine entsprechende Resonanzfrequenz aufweisen muss.
Um diese Resonanzfrequenz zu finden, wird nun ein handelsüblicher 10 kV Spannungswandler im „frequency sweep Verfahren“ mit 6.400 Messpunkten bis 10 kHz vermessen. Der Messaufbau orientiert sich an den Empfehlungen des technischen Reports IEC TR 61869-103.
Wir sind fündig geworden!
Bei ca. 6 kHz ist eine Resonanzstelle erkennbar. Während der Wandler bis ca. 5 kHz annehmbar das Primärsignal überträgt, ergibt sich bei ca. 6 kHz ein Amplitudenfehler von ca. 100 % und ein Phasenfehler von 90 °. Eine verlässliche PQ-Analyse bis z. B. 9 kHz kann daher mit diesem Spannungswandler nicht durchgeführt werden.
Eine gute Hilfestellung bietet den Messstellenbetreibern ein Beitrag der technisch-wissenschaftlichen Organisation CIGRE / CIRED. Hier wurde eine Richtlinie für Power Quality Messungen veröffentlicht, die bezüglich des Frequenzübertragungsverhaltens von Spannungswandlern eine aussagekräftige Tabelle bereitstellt.
Frequenzübertragungsverhalten von Spannungswandlern
Eine gute Hilfestellung bietet den Messstellenbetreibern ein Beitrag der technisch-wissenschaftlichen Organisation CIGRE / CIRED. Hier wurde eine Richtlinie für Power Quality Messungen veröffentlicht, die bezüglich des Frequenzübertragungsverhaltens von induktiven Spannungswandlern eine aussagekräftige Tabelle bereitstellt.
Es ist ersichtlich, dass generell 10 kV Spannungswandler bis zur 50. Oberschwingung (2,5 kHz) für PQ-Messungen verwendbar sind. Diese Aussage deckt sich mit unserem Messergebnis in Abbildung 3.
Im 20 kV Bereich sind gemäß der Tabelle aber bereits Geräte gefunden worden, die ab der 21. Oberschwingung keine verlässlichen Messwerte auf der Sekundärseite bereitstellen. Im 30 kV Bereich ist sogar eine pauschale Freigabe lediglich bis zur 7. Oberschwingung erfolgt. Wir konstatieren, dass für verlässliche EN 50160 Messungen ausschließlich 10 kV Spannungswandler in Bestandsanlagen verwendet werden können. In den Spannungsebenen 20 und 30 kV muss eine Auskunft seitens des Wandlerherstellers erfolgen.
Bei den hier untersuchten Wandlern handelt es sich ausschließlich um einpolige Geräte. Zweipolige Spannungswandler, die in älteren Bestandsanlagen noch zu finden sind, können für die Analyse von Oberschwingungen nicht verwendet werden. Dies ist auf die Spannungsmessung zwischen den Leitern zurückzuführen.
Trotz des 120 ° Phasenversatzes der 50 Hz Leiterspannungen sind die Amplituden-werte der überlagerten 3. Oberschwingung nicht versetzt und können somit auch keine Spannungsdifferenz zwischen den Leitern generieren. Dies gilt generell für alle durch 3 teilbaren Oberschwingungen.
Somit ist der durch die V-Schaltung gewonnene THDu um die Werte der durch dreiteilbaren Spannungsoberschwingungen (3, 6, 9,…) verringert.
3 - Sind Messungen bis zu 2 kHz noch ausreichend?
Weiterhin stellt sich die Frage, ob Messungen bis 2 kHz noch ausreichend sind. In der aktuellen DIN EN 61000-2-2 (Umgebungsbedingungen – Verträglichkeitspegel für niederfrequente leitungsgeführte Störgrößen und Signalübertragung in öffentlichen Niederspannungsnetzen) werden bereits Grenzwerte für die Spannung bis 150 kHz genannt.
Die in den Stromlieferverträgen angeführte EN 50160 ist zwar 2020 aktualisiert worden, doch Grenzwerte jenseits der 2 kHz sind noch nicht verbindlich definiert worden. Somit ist eine Spannungsmessung bis 2 kHz für die Qualitätsbestimmung der Elektroenergie ausreichend. Für den Netzanschluss von Einspeiseanlagen werden aber bereits PQ-Messungen bis 9 kHz gefordert.
Die MBS AG bietet daher für den Messbereich bis 9 kHz frequenzoptimierte Spannungswandler bis 24 kV. Die Genauigkeitsanforderung für diese Wandler wird in der IEC 61869-6 definiert. Der Amplituden- bzw. Phasenfehler gestalten sich wie folgt.
Der Wandler hält bis ca. 8 kHz die Klasse 0,5. Ab 8 kHz wird Klasse 1 noch deutlich gehalten. Diese Spannungswandler ermöglichen somit eine verlässliche PQ-Messung bis 9 kHz und sind wie alle anderen Mittelspannungswandler von der MBS AG ebenfalls SF6-frei.
Netzqualitäts-Messungen bis zu 150kHz im Mittelspannungsbereich
Bereits heute gehen viele Experten davon aus, dass zukünftig auch in der Mittelspannung PQ-Messung bis 150 kHz erfolgen werden. Auch einige der aktuellen mobilen PQ-Analysatoren messen bereits bis mindestens 150 kHz, was für eine umfangreiche Störanalyse durchaus erforderlich sein kann.
Mit induktiven Spannungswandlern ist der Bereich bis 150 kHz technisch nicht darstellbar. Die erste Resonanzstelle kann bei 24 kV Geräten lediglich in den Bereich von 10 bis 20 kHz geschoben werden. Eine Alternative bieten Spannungssensoren, die auf dem Prinzip des Spannungsteilers aufbauen. Zur Erinnerung sei hier noch einmal das Grundprinzip dargestellt.
Bereits heute werden Spannungssensoren hauptsächlich in bestehenden Ortsnetzstationen verbaut, die eine zusätzliche Spannungsmessung auf der Mittelspannungsseite erfordern. Messfelder mit herkömmlichen induktiven Spannungswandlern können aus Platzgründen nur in seltenen Fällen nachträglich verbaut werden. Eine bewährte Methode ist es, Sensoren in so genannte T-Stecker zu montieren. Diese Lösung ist platzsparend und die Montage erfolgt durch geübtes Personal in einem angemessenen Zeitfenster. Während der Konus des symmetrischen Steckers gem. der IEC 50181 genormt ist, weist der Konus des Kompakt-T-Steckers je nach Hersteller leicht unterschiedliche Maße auf. Der für den Kompakt-T-Stecker vorgesehene Spannungssensor VAPxx-S kann aber durch seinen patentierten Aufbau in den leicht unterschiedlich ausgeführten T-Steckern aller namhaften Hersteller verwendet werden, ohne Teilentladungen befürchten zu müssen. Für den neuartigen Kompakt-T-Stecker von Nexans (480 TB) gibt es bereits auch den passenden Sensor mit dem VCPxx-S.
Die in Abbildung 10 dargestellten Sensoren sind bis maximal 24 kV einsetzbar. Eine 36 kV Variante ist bereits geplant.
Für luftisolierte Schaltanlagen bzw. Messfelder gibt es bei der MBS AG einen Sensor, der bereits in Neuanlagen wie auch bei Nachrüstungen Verwendung findet.
Während die Genauigkeitsklasse bei 50 Hz auf jedem Leistungsschild der Sensoren vermerkt und somit durch den Hersteller verantwortet wird, werden für Messungen jenseits der 50 Hz oftmals keine Protokolle bzw. belastbare Aussagen seitens der Hersteller bereitgestellt. Im Markt wird von den Endanwendern oft das Vorurteil vernommen, dass ohmsche Teiler Oberschwingungen generell sehr gut übertragen können. Dies soll im Folgenden untersucht werden.
Ein ohmscher Teiler besteht grundsätzlich aus zwei nahezu ohmschen Widerständen, doch diese Widerstände besitzen immer parasitäre induktive und kapazitive Anteile. Auch bildet sich um den Hochspannungswiderstand eine Kapazität, so dass in der Fachliteratur nicht von ohmschen Teilern, sondern von ohmsch-kapazitiven Teilern gesprochen wird.
Aus der obigen Abbildung lässt sich ein vereinfachtes Ersatzschaltbild ableiten.
Für die Frequenzunabhängigkeit von Us/Up gilt für die obige Gleichung die folgende Bedingung
R1C1=R2C2
Es stellt sich nun die Frage, ob ohmsch-kapazitive Sensoren in der Mittelspannung ohne weiteres für PQ-Messungen eingesetzt werden können. In der folgenden Abbildung wurden der 50-Hz-Sensor eines Wettbewerbers und der MBS-eigene Sensor von 50 bis 150 kHz hinsichtlich Amplituden- und Phasenfehler gemessen.
Beide Sensoren verletzen die Minimalanforderungen der Klasse 1 für PQ-Messungen gem. der IEC 61869-6. Für ein optimales Übertragungsverhalten muss das Abgleichnetzwerk ebenfalls für höhere Frequenzen optimiert werden.
MBS AG can currently provide voltage sensors for T-connectors and for air-insulated systems with optimized transmission behaviour up to 150 kHz.
For PQ measurements, frequency-optimized sensors are absolutely necessary in order to comply with the minimum requirement (class 1 according to IEC 61869-6). Transfer curves from current customer projects are shown in the following figures.
Die Spannungssensoren werden in der Regel mit entsprechenden Stromsensoren installiert. Im Gegensatz zu herkömmlichen Stromwandlern wird auf der Sekundärseite ein Spannungssignal ausgegeben. Es können aber auch breitbandige Rogowski-Spulen verwendet werden.
Verschiedene Kabelsteckerhersteller bieten auch Adapter für den Aussenkonus A an. So können Spannungsmessungen platzsparend direkt an den Transformatoren realisiert werden.
Bei der Auswahl des Messgerätes ist zu beachten, dass die hier angesprochenen Spannungssensoren auf der Sekundärseite maximal 10/√3 Volt bereitstellen können. In Deutschland hat sich bereits der Standard 3,25/√3 V etabliert. Bei Stromsensoren werden in der Regel 225 oder 333 mV verwendet.
Hier ergibt sich nun für das EVU oftmals ein Problem bei der Anschaffung eines mobilen Power Quality Analysegerätes. Im Gegensatz zu den traditionell induktiven Spannungswandlern mit 100/√3 V geben die Spannungssensoren lediglich ein Kleinsignal bis maximal 10/√3 V aus. In der Niederspannung werden die Spannungssignale von den spannungsführenden Leitern direkt abgegriffen. Frequenzoptimierte Hochspannungswandler, die als RC-Teiler ausgeführt werden, stellen in der Regel wie die herkömmlichen Spannungswandler 100/√3 V bereit. Es ergeben sich somit verschiedenste Sekundärspannungen im Umfeld eines EVU.
4 - Die Lösung
Um eine ausreichende Auflösung und Genauigkeit garantieren zu können, sollte ein mobiles PQ-Messgerät auf diese unterschiedlichen Messspannungen ausgelegt sein.
Das derzeit einzige mobile Messgerät, das diesen Anforderungen gerecht wird, ist das PQA 8000H-P der Firma NEO MESSTECHNIK. Hier gibt es umschaltbare Spannungseingänge für 600 Vpeak und 10 bzw. 20 Vpeak. Mit dieser Option ist es dem EVU möglich, in den verschiedenen Spannungsebenen hochwertige PQ-Messungen vornehmen zu können.
Die Eingangsimpedanz der Spannungskanäle liegt bei 10 MOhm || 2 pF. Herkömmliche Spannungswandler in der Mittelspannung werden hinsichtlich der Klassengenauigkeit mit einer Bürdenleistung in VA spezifiziert. Üblich sind Werte zwischen 5 und 20 VA. Die auf dem Leistungsschild vermerkte Klasse gilt dabei für 25 bis 100 % dieser Leistung. Der Leistungsbedarf des mobilen PQ-Gerätes ist bei der üblichen Sekundärausgangsspannung von 100/√3 V verschwindend gering.
Das Messgerät kann also zu den angeschlossenen Messgeräten ohne Auswirkungen auf die Genauigkeit parallel betrieben werden.
Anders sieht es bei den Sensoren in der Mittel- und Hochspannung aus. Hier sind die RC-Teiler genau auf den Belastungswiderstand abgeglichen. In der Hochspannung wird daher oftmals ein extra Terminal für das PQ-Messgerät ausgeführt. In der Mittelspannung muss der Sensor genau auf das Messgerät abgestimmt sein. Es lassen sich aber auch hier Messgeräte parallel betreiben. Durch die Verwendung von parallelen Zusatzwiderständen kann das PQ-Messgerät bei Nichtbenutzung simuliert werden.
Bei der Verwendung mehrerer Messgeräte in verschiedenen Messstationen ist eine komfortable Anbindung an das ENA SCADA System möglich.
Es kann konstatiert werden, dass durch die Verwendung von ohmsch-kapazitiven Spannungssensoren in der Mittelspannung in Verbindung mit einem umschaltbaren mobilen PQ-Analysator ebenfalls Messungen bis 150 kHz durchgeführt werden können. Mit RC-Teilern in der Hochspannung kann aktuell ein Messbereich bis 30 kHz abgedeckt werden. Einer Übernahme der Grenzwerte aus der aktuellen IEC 61000-2-2 in die EN 50160 für die Nieder- und Mittelspannung steht aus technischer Sicht nichts entgegen.
5 – Authors
Roland Buerger (MBS AG)
Business Development/R & D, MBS AG, Sulzbach-Laufen (Deutschland)
rbuerger@mbs-ag.com
Bernhard Grasel (NEO Messtechnik)
Sales Manager, NEO Messtechnik, Zöbern (Österreich)
bernhard.grasel@neo-messtechnik.com
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